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Ju-Jutsu auf 2 Rädern

Warum überhaupt begeistern sich JuJutsu Sportler fürs Motorrad fahren? Ist es nichts als ein weiterer Ausdruck jener ausgeprägten Gemeinschaftsgefühls, das dafür sorgt, dass in diesem doch recht unbekannten Sulzer Teilort regelmäßig ein Training statt findet, welches sowohl in Mitgliederzahl wie auch in Schwarzgurtdichte so manche Kreisstadt hinter sich lässt? Oder sind sich die beiden Hobbys doch etwa ähnlicher, als man vermutet? Hier ein kleiner Erklärungsversuch.

Am Samstag, den 12.04.25 war es wieder so weit. Sie Trafen sich an der Mühlbachhalle, morgens um halb neun. Jene die die Gemeinschaft unseres Vereins auch außerhalb der Matte lebten. Ju-Jutsukas mit Motorrädern, um  wieder einmal auszufahren, so wie es schon seit Jahren zu einer liebgewordenen, kleinen Tradition geworden ist.  Und doch wurde mit dieser Tradition nun ein wenig gebrochen. Zum einen fand die Ausfahrt an einem Gürtelprüfungstag statt, was zur Folge hatte, daß all jene, die sich der Begleitung der Prüflinge verschrieben hatten, darauf verzichten mussten, mitzufahren. Zum anderen hatte unser langjähriger Tourguide Jörg beschlossen, das Zepter der Tourenplanung  weiter zu reichen, und nur noch als gewöhnlicher Teilnehmer mitzufahren.*

Da Ritual begann wie immer. Angrüßen vor der Halle, wenn auch die Farbenordnung beim Aufstellen kaum beachtet wurde.  BMW-Blau, KTM-Orange Kawasaki-Grün, alles stand in einer Weise  durcheinander, wie es noch am Abend zuvor kaum Denkbar gewesen wäre. Nach der obligatorischen Begrüßungsrunde, bei der das Wild-Durcheinander- Laufen deutlich besser klappte, als sonst auf der Matte. Nachdem die Vollzähligkeit aller Teilnehmer festgesellt wurde, hieß es Aufsitzen und Warm machen - Nicht die Muskeln, sondern die Motoren. Und genau so wenig überraschend wie das Macht-Mit-Spiel startete die Tour über Bergfelden und Vöhringen  in Richtung Oberndorf und Schömberg, denn die Möglichkeiten der Abfahrt sind nun mal beschränkt und die schönsten Kurven bleiben einfach die schönsten Kurven. 

Auf dem Weg nach Beuron zum Soldatenfriedhof wurde die Strecke deutlich dynamischer gefahren. Bedingt durch die reduzierte Gruppengröße und der hohen Leistungsdurchschnitt bei geringer Streuung kam es zu keinen nennenswerten Abbrüchen. Die Dynamik ließ den Wegabschnitt durch die Täler und Steigungen zu einem Konzert der Kurventechniken werden, Mit Schräglage, hängend oder drückend fuhr jeder seine ganz persönliche Linie - die Maschine, gleich der Guardpossition , fest zwischen den Schenkeln gespannt und  doch beweglich in der Hüfte.

In Meßkirch bei Neher wurde ausgiebig gefrühstückt. Das Cafe vermochte mit einer geschmackvollen Inneneinrichtung punkten, unterstützt durch die unfreiwilligen Slapstickeinlagen seitens des bedienenden Personals. Auswahl und Angebot leisen jedoch erahnen, dass die Möglichkeit, mit Karte bezahlen zu können, nicht die einzig Optimierungsidee in den Köpfen unserer Protagonisten war.

Frisch gestärkt ging es weiter gen Weingarten. Die Barocke Perle Oberschwabens lockte mit ihrer Wunderschönen Basilika, dem größten Barockkuppelbau Deutschlands, dem Verwahrungsort der Heilig-Blut-Reliquie. Für Nicht-Katholiken und Architekturinteressierte ist es vermutlich viel wichtiger, dass es genau genommen keine Basilika, sondern eine Barocke Emporenhalle ist. Der Klosterhof bot an Wochenenden ein Möglichkeit, das schwabenherz beim Parken ein wenig höher schlagen zu lassen: Am Wochenende kostenfrei. Hie war geplant, auf der Terrasse des Kirchenvorhofs ein Gemütliches Eis zu genießen, jedoch wurde dieser geniale Plan aufs hinterhältigste durch eine Hochzeitsgesellschaft zu Nichte gemacht. Wie kann man auch an einem wunderschönen Tag bei traumhafter Kulisse einfach so Heiraten!!! Uns wackeren Recken blieb nur noch der lange und beschwerliche Fußmarsch in die ebenfalls malerische Altstadt wo das Eis, gemäß der ortskundigen Unterstützung, sogar noch leckerer war. 

Frisch gestärkt ging es nun Richtung  Riedlingen. Obwohl die Kurvenintenzität nun ein wenig nachließ, war, auch ohne die Geschwindigkeit in den Bereich der Ordnungswidrigkeiten zu heben, immer och ein ausreichendes Maß an fahrerischer Herausforderung gegeben. Und doch Kreischten die Vierzylinder, Brüllten die Dreizylinder und röhren die Zweizylinder mit 1000 bis 3500 Ki-Ai pro Minute** durch die langegezogenen Kurven, verschmolzen zu einem Chor und sangen sagen das große Lied von der Freiheit und dem Fahrtwind; nein sie Schrien es heraus. 

In Riedlingen wurden die Tanks nachgefüllt und manche, die des Samstags noch weiter Verpflichtungen auf ihren Schultern tragen, verabschiedeten sich  und überließen die letzte Etappe den verbliebenen. 

Auf nach Tübingen. Ein letztes Mal Stabilisierung durch Blickführung wie beim Bodenrandori, ein letztes Mal  Druck auf die Fußraste und diagonaler Druck auf den Lenker, ähnlich einem Beinstreckhebel und ein letztes mal die Konzentration sammeln, wie wenn es im Training heiß:  „Und jetzt alles in Kombination“. Der geplante Höhepunkt der Tour war der krönende Abschluss im Boxenstopp Museum und Restaurant. Nach einem Herzhaften gutschwäbischen Schmaus wurden wir vom Besitzer höchstpersönlich geführt, sowohl durch das Museum als auch seine eigene Biographie. Vom DeDion, der schon zwei Jahrhundertwenden erlebt hat, über den Grünen Ferrari, der seiner Zeit aus, nun ja, „Steuerlichen Gründen“ veräußert wurde bis hin zum Trollingerfarbenen Lloyd mit Chevy-V8 Motor, war die Bandbreite überwältigend. Und das war nur das Erdgeschoss. Es gab Rennwagen aus verschiedenen Epochen, Formel Eins Autos zum Probesitzen und einen Slingshot Dragster, für die ganz lebensmüden unter den Rennfahrern. Auch gab es zahllose Motorräder für Alltag, Rennen und Rekorde, Einzelstücke und Spezialumbauten; Skurrilitäten  wie ein Morgan aus der Zwischenkriegszeit oder ein Apfelbeckmotor mit diametraler Ventilsteuerung.

Erschlagen von den Eindrücken und Erlebnissen hieß es nun ein letztes mal, Anzug richten und zu den Maschinen gehen, die ihrerseits ein letztes mal Aufstellung bezogen hatten und nun, gebeugt über die Seitenständer, abgrüßten. Mit den letzten Sonnenstrahlen verließen wir das beschauliche Tübingen, um unsere Gruppe langsam und gemächlich auszudünnen wie sonst nach dem Matten abbauen. Und natürlich erinnerte uns der Peter, ähm,  Petrus  daran, diesen Tag mit derselben Formel zu beenden, wie auch jedes andere gute Training: 

Schöne Dusche

 

*Jörg hätte natürlich niemals einen Gürtelprüfungstermin auch nur ansatzweise in Erwägung gezogen geschweigen denn überhaupt einen annähernd artverwandten Gedanke für möglich gehalten und überhaupt....

 

**Das Viertaktprinzip. Je zwei Umdrehungen eine Zündung. Also: 2000 – 7000 U/min